Das heißgeliebte J!
mit freundlicher Genehmigung von Rena Larf
Auf dem bunten Weihnachtsteller tummelten sich die herrlichsten Leckereien. Neben perlenbesetzten Baumkringeln reckte sich das Marzipanbrot vorwitzig über den Tellerrand und stupste am anderen Ende gegen das lilafarbene Glanzpapier eines mittelgroßen Weihnachtsmannes.
Überall kugelten sich Marzipankartoffeln mit Dominosteinen um die Wette und verwiesen die kleinen Knickebeinfässchen auf die hinteren Plätze. Zwischen Spekulatius mit Mandelbesatz, Lebkuchenherzen und leuchtend orangefarbenen Clementinen lagen haufenweise Schokopralinen, die sich gegenseitig an Schönheit übertrumpften. Die dunklen Printen und die hellen Pfeffernüsse schienen das wirre Kalorienchaos wie jedes Jahr abzurunden.
Ach .. und da lag sie nun!
Strahlend, verführerisch, wunderschön... ein zauberhaftes "J" in rotweiß gestreiftem Abendkleid: die Zuckerstange!
Ihren süßlichen Duft aus Pfefferminze verströmte sie an ihre Nachbarn in diesem kleinen Universum: an die Printen, die Dominosteine und Lebkuchenherzen, die Pfeffernüsse und den Weihnachtsmann. Und so sehr sich das Marzipanbrot auch reckte und streckte in seiner langen goldigen Pracht es kam doch nie ganz an, und dabei liebte es die Zuckerstange mit jeder Faser seines Goldpapiers.
"Was würde ich drum geben", dachte das Marzipanbrot, "könnte ich nur ein einziges Mal um den Weihnachtsteller marschieren und neben dir, meiner heißgeliebten Zuckerstange, ganz rangekuschelt liegen!"
Das hieße jedoch, bergeweise Clementinen, Dominosteine und Spekulatius zur Seite zu schaufeln - womöglich über den Tellerrand und schließlich auch noch den lila Weihnachtsmann aus seiner angestammten Mittelposition zu drängen.
DAS hatte es aber noch niemals gegeben!
Als das verliebte Marzipanbrot noch immer mit sehnsuchtsvollem Seufzer über diesen enormen Kraftaufwand nachdachte und unruhig versuchte, Anlauf zu holen, huschten ganz leise und heimlich ein kleiner Daumen und ein Zeigefinger über den prall gefüllten Weihnachtsteller und grapschten zielsicher das rotweiße "J" aus der Menge der Pralinen, Clementinen und Baumkringel heraus.
Das Marzipanbrot riss die Augen und den Mund vor Entsetzen weit auf und begann vor Liebeskummer und Herzschmerz augenblicklich unter den heißen Weihnachtskerzen zu schmelzen.
"Ach, bitte, grundgütiger Nussknacker", flüsterte es, "lass mich bitte der Nächste sein. So kann ich wengistens im Geschmack auf der Zunge meiner heißgeliebten Zuckerstange ein einziges mal ganz nahe sein!"
Und als die kleinen Finger das leicht geschmolzene Marzipanbrot erwischten, ließ es sich aus dem Goldpapier wickeln und ergab sich glücklich seinem Schicksal....